Was ist los im Niger?

Demonstration zur Unterstützung der nigrischen Streitkräfte Anfang August in Niamey Foto: Kallam Moussa Boubacar via facebook

Niger ist nach Mali und Burkina Faso bereits der dritte Staat, in dem der französische Machteinfluss binnen kurzer Zeit zu schwinden droht.

Groß war der Aufschrei im selbsternannten Wertewesten, als im Niger Ende Juli das Militär den Präsidenten stürzte. Angestachelt von Frankreich erklärte die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS militärisch im Niger intervenieren zu wollen. Eine Reihe von Sanktionen trat bereits in Kraft; verhängt durch ECOWAS und verstärkt durch die Aussetzung von Hilfsgeldern aus der EU.

Der Niger zählt zu den ärmsten, am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Und das, obwohl im Land reichlich Bodenschätze vorhanden sind, darunter allen voran Uran. Ähnlich wie dem Niger geht es auch anderen ehemaligen französischen Kolonien in der Region – reich an Ressourcen, aber nichts davon kommt dem Land selbst zu Gute. Dafür sorgt unter anderem die in Teilen Afrikas verwendete und direkt an Frankreich gekoppelte Währung CFA-Franc. Die betroffenen Staaten werden arm und abhängig gehalten.

Dagegen begehren im Niger Teile des Militärs auf, unterstützt von großen Teilen der Bevölkerung. Staaten wie Frankreich oder die BRD versuchen ihren Einfluss gegen die dortige Bevölkerung durchzusetzen. Die Uranminen des Niger befinden sich vorrangig unter französischer Kontrolle. Rund ein Drittel des Urans, das in Frankreich zur Stromerzeugung verwendet wird, entfällt auf den Niger. Im Jahr 2021 war Niger der Hauptlieferant von Uran in die EU, gefolgt von Kasachstan und Russland. Der Niger ist außerdem ein wichtiger Kontrollpunkt für Migrationsrouten und wird von Staaten wie Frankreich, Deutschland und den USA als Basis für Militäreinsätze in der Region genutzt.

Seit 2013 war das französische Militär unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung in Westafrika aktiv, wenig später auch die Bundeswehr. Dabei war es maßgeblich Frankreich, das mit seiner Beteiligung an der Zerschlagung Libyens im Jahr 2011 die Ausbreitung des islamistischen Terrors in der Region ermöglichte. Die Präsenz islamistischer Gruppen konnte militärisch nicht zurückgedrängt werden. Stattdessen gab es zahlreiche zivile Opfer und der Einfluss Frankreichs auf die lokalen Regierungen nahm zu. Dagegen regte sich zunehmend Unmut in der Bevölkerung und von 2020 bis 2022 wurden mehrere pro-französische Regierungen in der Region gestürzt, darunter in Mali und Burkina Faso. Diese Länder sind es jetzt auch, die entschieden ihre Solidarität mit dem Niger bekräftigen. Und selbst in ECOWAS-Staaten wie Nigeria und dem Senegal lehnt die Mehrheit der Bevölkerung eine Militärintervention ab.

Am 2. September haben zehntausende Menschen auf einer Demonstration in Nigers Hauptstadt Niamey erneut den Abzug französischer Truppen gefordert. Der Wille zur echten Unabhängigkeit ist in der Bevölkerung ungebrochen. Umso zynischer wirkt die nach außen zur Schau getragene Sorge von Baerbock und Co. über die Demokratie im Niger. Nein, den westlichen Staaten liegt weder die Bevölkerung im Niger noch die Bevölkerung in ihren eigenen Ländern am Herzen. Es geht ihnen ausschließlich darum, ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle.

Leo | Artikel aus AufDraht September 2023