Nürnberg: Offener Brief gegen Kriegsprofiteur im DGB-Haus

»Der DGB ist ein wichtiger Partner für eine sozial-ökologische Transformation « Abbildung: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lizenz: CC-BY 2.0

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Am 16./17. Oktober wurden Räumlichkeiten im Gewerkschaftshaus Nürnberg an die Rüstungsfirma DIEHL vermietet. Die Vermietung erfolgte über die Gastrofirma korns. Dies blieb nicht unwidersprochen und rief breiten Protest hervor. Wir dokumentieren den Offenen Brief an die Betreibergesellschaft und die Vorstände der DGB-Gewerkschaften in Mittelfranken:

Keine Profite aus Rüstungsproduktion und Waffenexporten! 
Keine Räume für Rüstungsunternehmen!
Zivilklausel für das Gewerkschaftshaus!

Liebe Kolleg*innen vom korns, Liebe Kolleg*innen der DGB Gewerkschaften Mittelfranken,

Viele von uns kennen Ihre/eure Räumlichkeiten als Besucher*innen und Veranstalter*innen von Vorträgen und Treffen von Gewerkschaften, aber auch Organisationen wie dem Nürnberger Friedensforum, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) und weiteren Organisationen in Nürnberg und Umgebung. 

Wir wenden uns an Sie und euch, um unseren deutlichen Protest gegen die Vermietung von Räumen im Gewerkschaftshaus an Rüstungsunternehmen und Kriegsprofiteure jeder Art auszudrücken. Die Tagungsräume im 7. Stock des Gewerkschaftshauses sind klar mit den Gewerkschaften assoziiert.

DIEHL ist nicht irgendein Unternehmen. DIEHL-Metall ist Teil der DIEHL-Gruppe. Das Image der Elektromobilität und den Nachhaltigkeits-Innovationen von DIEHL darf uns nicht blenden: DIEHL ist ein Rüstungsunternehmen. Und zwar eines der größten Deutschlands. Nach Angaben von SIPRI gehört DIEHL zu den 100 größten Rüstungskonzernen weltweit. Profite mit dem Tod lassen sich nicht greenwashen und nicht beschönigen! 

Wir erwarten auch von Privatunternehmen wie euch die Einhaltung humanitärer und politischer Selbstverständlichkeiten: keine Kooperation mit Kriegsprofiteuren. Es darf keine Normalisierung von diesen Unternehmen geben; nirgends. Der Normalisierungsdiskurs von Rüstungsunternehmen als vermeintlich „normale Unternehmen“ ist Teil der verschärften Militarisierung im Zuge der „Zeitenwende“ und wird von der Friedensbewegung und auch großen Teilen der Gewerkschaften scharf kritisiert. 

DIEHL produziert seit dem Ersten Weltkrieg Rüstungsgüter und verdient seitdem kräftig an Kriegen, Leid und Tod von Menschen. Im deutschen Faschismus stieg DIEHL zu dem Rüstungsriesen auf, der er heute ist und beutete tausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unter brutalsten Bedingungen aus. Heute exportiert das Unternehmen in Kriegsgebiete und an autoritäre Regime weltweit. DIEHL produziert darüber hinaus gemeinsam mit weiteren großen Waffenfirmen, darunter Rheinmetall und dem israelischen Unternehmen Rafael. Einen solchen Konzern direkt neben der international anerkannten Straße der Menschenrechte zu beherbergen ist unerträglich! 

Als Gewerkschaftsmitglieder lehnen wir es als würdelos und inakzeptabel ab, in „unser“ Gewerkschaftshaus zu gehen und dort neben den Kriegsprofiteuren von DIEHL zu tagen. 

Als Friedensbewegte und Antimilitarist*innen in Nürnberg und Umgebung lassen wir Sie und euch wissen, dass wir keine Vermietung an Rüstungsfirmen unkommentiert lassen werden. Privatfirmen, die mit der Rüstungsindustrie kooperieren und von ihr profitieren wollen, werden auch weiterhin Adressat*innen unseres öffentlichen Protestes sein. Das gilt für den anhaltenden Krieg in Palästina, aber selbstverständlich darüber hinaus. Es ist gleichgültig, ob die Waffensysteme von DIEHL in Palästina oder der Ukraine eingesetzt werden. Eine Kooperation mit Rüstungsprofiteuren ist grundsätzlich inakzeptabel und wird nicht unwidersprochen bleiben. 

Wir fordern Sie und euch auf, Vermietungen an Rüstungsunternehmen und Kriegsprofiteure zukünftig ausnahmslos zu unterlassen! 

Von den Vorständen der DGB Gewerkschaften in Mittelfranken erwarten wir eine klare Positionierung hinter diesen Forderungen anhand der vorliegenden Satzungen und somit Handlungsgrundsätzen der Gewerkschaftsarbeit. Die Satzung der IG Metall benennt „Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung“ als Ziele der IG Metall (§2 Aufgaben und Ziele der IG Metall in der gültigen Fassung ab dem 1. Januar 2024). Die Satzung von ver.di benennt in der zuletzt 2021 geänderten Fassung ein „friedliches Zusammenleben“ als Ziel der Organisation (§5 Abs. 2. Zweck, Aufgaben und Ziele). Diesem Ziel diene insbesondere u.a. die „Bekämpfung von faschistischen, militaristischen und rassistischen Einflüssen“ (§5 Abs. 3 i). 

Wir fordern die Vorstände der DGB Gewerkschaften in Mittelfranken auf, die satzungsmäßigen Ziele ernst zu nehmen und sich aktiv für ihre Umsetzung einzusetzen. 

Mit freundlichen Grüßen

  • Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Nürnberg
  • Die Linke Nürnberg und OV Roth-Schwabach
  • Fridays For Future (FFF) Nürnberg
  • Friedensforum Nürnberg
  • Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Nürnberg
  • GEW Nürnberg und GEW Erlangen, GEW-Studis Erlangen,
  • Linke Liste Nürnberg
  • Organisierte Autonomie (OA) Nürnberg
  • Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Nürnberg
  • Sozialberatung reclaim Gostenhof
  • ver.di OV Nürnberg, und ver.di OV Fürth und ver.di OB Roth-Schwabach sowie  ver.di-Jugend Mittelfranken und ver.di-Fachbereich C Mittelfranken
  • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen  (VVN-BdA) Nürnberg

Für weitere Unterstützung des Offenen Briefs gerne Mail an: tatjanasambale@yahoo.de


Kolumne von Tatjana Sambale in UZ vom 25. Oktober 2024:
Wie verrückt ist das denn? In Nürnberg tagt Diehl in unserem Haus

Politische Arbeit geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern an realen Orten. Das weiß auch die Gegenseite. Und so stellt sich in Zeiten des reaktionär-militaristischen Staatsumbaus zunehmend auch die Frage nach Räumen und Orten, an denen wir Politik machen können. Zwei Dinge sind dabei zentral: Erstens sind Räume oft teuer, zweitens bekommt man sie nicht immer. Die Fälle, in denen politische Organisationen, Gruppen und auch uns als Partei Räumlichkeiten für Treffen, öffentliche Veranstaltungen oder Vorträge verweigert werden, häufen sich. Staatliche Stellen oder pflichtschuldige Einzelpersonen entscheiden, ob die dargebotenen Themen in die bundesdeutsche Staatsräson passen oder nicht. Das ist die bürgerliche Demokratie im Jahr 2024.

Das Nürnberger Gewerkschaftshaus befindet sich im Besitz der IG-Metall-eigenen Immobilienfirma IG-MET. Diese hat die Frage nach Nutzung der schicken Räumlichkeiten im 7. Stock mit grandiosem Ausblick schon vor Jahren vermeintlich elegant gelöst. Die durch eine private Betreiberfirma vermieteten Räume sind derart teuer, dass sie für die durchschnittliche Politgruppe nicht in Frage kommen. Das erspart lästige Debatten darüber, welche politischen Gruppen sich im Gewerkschaftshaus einmieten dürfen. Zunächst mal nur solche, die es sich leisten können. Sogar für die Bezirks-und Landesorganisation von ver.di stellen die Kosten eine derart hohe Hürde dar, dass nur noch in Einzelfällen auf die Nutzung dieser Räume zurückgegriffen werden kann. Zwar gibt es finanzielle Sonderkonditionen für die gewerkschaftliche Nutzung, doch im Zweifelsfall hat das gewerkschaftliche Wirken gegenüber der kommerziellen Nutzung das Nachsehen. Denn die externen Inte­ressenten stehen Schlange: Unternehmen, feine Hochzeitsgesellschaften, Zeitarbeitsfirmen. Sie alle schätzen das Panorama, das ausgezeichnete Catering und den Service im Gewerkschaftshaus.

1209 Kolumne Tatjana - Kriegsprofiteur im Gewerkschaftshaus - DGB, IG Metall, reaktionär-militaristischer Staatsumbau, Rüstungskonzerne, Staatsräson, Widerstand - Positionen
Tatjana Sambale

Mitte Oktober durfte sich die Rüstungsfirma Diehl aus Röthenbach im Nürnberger Land einmieten. Wurde im Faschismus noch auf Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge zurückgegriffen, um den Profit zu maximieren, darf sich Diehl heute über die Zeitenwende samt Milliardenaufträgen freuen. Unter solchen Umständen ist selbst das Gewerkschaftshaus bezahlbar. Und weil in Kriegszeiten alle Menschen Rüstungsunternehmen geil zu finden haben, wurde das Firmen-Event auch im gesamten Haus beworben. Schon an der Eingangstür wurde man von Diehl begrüßt, im Foyer hing ein Riesenbanner des Rüstungskonzerns und selbst in den Fahrstühlen wurde man belästigt. Die Betreiberfirma antwortete auf Nachfrage, Diehl sei in diesen Zeiten eine „normale“ Firma wie jede andere. Der DGB-Kreisvorsitzende in Röthenbach, der Diehl-Heimatgemeinde, hat schon früher Werbung für Waffenlieferungen an die Ukraine gemacht – und diese mit der solidarischen Unterstützung an das revolutionäre Nicaragua in den 80er Jahren verglichen.

Die Provokation blieb nicht unbeantwortet: „Diehl-Manager not welcome – Keine Profite mit dem Tod“ und andere Sprüche gegen den Rüstungskonzern waren auf A4-Zetteln im Haus zu lesen. In einem Offenen Brief fordern Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter anderem eine Zivilklausel für das Haus. Die Vorstände der DGB-Gewerkschaften Mittelfranken werden aufgefordert, Stellung zu beziehen. Auch einige Ortsvereine von ver.di haben den Brief bereits gezeichnet. Die Debatte, wie es sein kann, dass ein Kriegsprofiteur Gewerkschaftsräume mieten kann, ist in vollem Gange. Die IG Metall stellt sich auf den Standpunkt, Diehl sei einer ihrer mitgliederstärksten Betriebe. Aber hier geht es nicht um Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen, sondern um eines der hundert größten Rüstungsunternehmen weltweit, die das Gewerkschaftshaus nutzen, um an ihrem Saubermann-Image zu arbeiten.