Für eine kämperische Tarifrunde – gegen die Provokation der Metallbosse!
Für eine kämperische Tarifrunde
gegen die Provokation der Metallbosse!
Solidaritätserklärung der DKP Bayern
Der Slogan der Bosse für die aktuelle Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie scheint zu sein: „Nullrunde! Zuschläge kürzen! Nullrunde!“ Und mehr noch: Sie wollen automatisch Löhne kürzen können, je nach Geschäfts-/Profit-Lage der Unternehmen.
Da Mieten und Preise sich nicht automatisch unserem Geldbeutel anpassen, ist klar was das heißt: Wir sollen zahlen – der Wettbewerbder Unternehmen untereinander soll auf unserem Rücken ausgetra-gen werden! Die Krise und die Corona-Pandemie werden damit zum Anlass genommen, um dem Grundprinzip der Gewerkschaft und dem Flächentarifvertrag an den Kragen zu gehen.
Die Bosse nutzen die aktuelle Verunsicherung und die Angst um den Arbeitsplatz vieler Kollegen und Kolleginnen aus, um weitreichendebetriebliche Spar- und Abbaupläne aus der Schublade zu holen, oder so wie der Bundesverband der Metallbosse „Gesamtmetall“ ganze Hor-rorkataloge vorzulegen: sie fordern eine Flexibilisierung der Arbeitszeit (übersetzt: unbezahlte Mehrarbeit), Ausweitung von Befristung und Leiharbeit, Aufweichung des Kündigungsschutzes, weitere Öffnungs-klauseln im Tarifvertrag, … alles wegen Corona, ist ja klar.
„Beschäftigung sichern, Zukunft gestalten, Einkommen stärken“ ist der dagegen bescheiden klingende Slogan der IGM. Die Forderungen:ein Volumen von 4%, das in höhere Löhne oder einen Teillohnausgleich bei Verkürzung der Arbeitszeit auf 4-Tage/Woche gesteckt werden soll. Außerdem geht es 30 Jahre nach der Einverleibung der DDR endlich um die Angleichung der Arbeitszeit Ost (aktuell 38h) an Westniveau (35 h).
Kolleginnen und Kollegen, trotz der niedrigen Forderungen ist diese Tarifrunde wichtig: Denn wir müssen einen Dammbruch verhindern.Wenn die Bosse mit Nullrunde und betrieblicher Differenzierung durchkommen, folgen die nächsten Angriffe sofort. Sie glauben, wir seien unter Corona-Bedingungen nicht kampfbereit und -fähig. Zeigen wir ihnen am 1. März und in den Wochen danach, dass Metaller kämp-fen können. Selbst das kleinste Zugeständnis werden wir erkämpfen müssen!
Die Massenentlassungen vor zwei Jahren zeigen, dass sich die Wirt-schaftsbosse bereits auf eine schwere Wirtschaftskrise eingestellt ha-ben – Die Corona-Krise kam nur oben drauf. Die regelmäßigen Krisendes Kapitalismus dürfen nicht auf unserem Rücken ausgetragen wer-den, schließlich bekommen wir ja auch nichts von den Profiten ab. Wir haben die Krise mit Kurzarbeit und Entlassungen gezahlt, während im gleichen Zeitraum die Anzahl an Superreichen massiv gestiegen ist! Damit muss Schluss sein: Jetzt sind die Gewinne dran! Lasst uns mit
Kürzer Arbeiten und besser Leben.
Zukunft sichern! Voller Lohnausgleich ist möglich!
Die IG Metall fordert in dieser Tarifrunde die Möglichkeit in Betrieben mit Auf-tragseinbrüchen die Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden zu reduzieren. Dafür soll es einen Teillohnausgleich geben. Arbeitszeitverkürzung wird als Notlösung ins Spiel gebracht – größtenteils von den Beschäftigten selbst finanziert. Dabei gibt es für uns Beschäftigte und die Gewerkschaftsbewegung insgesamt gute Gründe, für eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich einzutreten…
Die Angst der Menschen vor einer unsicheren Zukunft ist so alt wie der Kapitalis-mus. Ständig steigende Arbeitshetze, fortlaufende Rationalisierung und dabei in den Fesseln der Lohnarbeit gefangen sein, ist eine permanente Herausforderung für die Werktätigen im Kapitalismus, der keine Perspektive bietet. Es sei denn, man kämpft um seine Zukunft. Denn Reformen sind auch im Kapitalismus möglich. Kinderarbeit ist – zumindest in Deutschland – geächtet, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein erkämpfter sozialer Standard. Der Arbeitstag betrug in grauen Vorzeiten gar 16 Stun-den und ist heute gesetzlich auf acht Stunden festgeschrieben. Dies war nur möglich, weil sich die Gewerkschaften und ihre Mitglieder zum Kämpfen entschlossen (siehe Kasten).
Rationalisierung kann eine Entlastung von Lohnarbeit für die Arbeitenden sein, wenn sie für die Arbeitenden genutzt wird. Welches Potential möglich ist, zeigt die soge-nannte Arbeitsproduktivität, die als betriebswirtschaftliche Kennzahl angibt, was Du erarbeitet hast.
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln veröffentlicht dazu in seinem Portal „Deutschland in Zahlen“ folgende Werte für Deutschland im produzierenden Gewer-be (ohne Bau):
1991 | 2000 | 2010 | 2015 = 100 | 2019 | 2019 vs. 1991 |
57,4 | 74,8 | 95,3 | 100 | 102,8 | + 79,8 % |
Die Lohnentwicklung (in Milliarden Euro) sah wie folgt aus:
1991 | 2000 | 2010 | 2015 | 2019 | 2019 vs. 1991 |
290,1 | 327,1 | 351,5 | 422,2 | 475,9 | + 64,0 % |
Im gleichen Zeitraum entwickelten sich übrigens die Unternehmereinkommen (in
Milliarden Euro) wie folgt:
1991 | 2000 | 2010 | 2015 | 2019 | 2019 vs. 1991 |
376,1 | 429,8 | 609,7 | 694,5 | 712,4 | + 89,4 % |
Dabei ging die Jahresarbeitszeitstunden der Voll- und Teilzeitbeschäftigten zurück:
1991 | 2000 | 2010 | 2015 | 2019 | 2019 vs. 1991 |
1.466,0 | 1.360,8 | 1.323,8 | 1.309,8 | 1.306,1 | – 10,1 % |
Fassen wir zusammen: Einer um 79,8 Prozent gesteigerten Arbeitsproduktivität stan-den lediglich 64 Prozent höhere Löhne gegenüber, während im gleichen Zeitraum die Kapitalisten 89,4 Prozent mehr in die Tasche strichen. Dabei gingen die Jahresarbeits-stunden um 10,1 Prozent zurück.
Die Automobilindustrie ist, gemessen am Umsatz, der bedeutendste Industriezweig Deutschlands. 832.000 Beschäftigte erwirtschafteten den Kapitalisten 436 Milliarden Euro. „Die Automobilindustrie hat daher eine sehr hohe Bedeutung für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland“, bemerkt das Wirtschaftsministerium in seiner Branchenskizze. Sehen wir uns deshalb mal Zahlen von BMW an.
Das Beispiel BMW: | |||
2010 | 2019 | 2019 vs. 2010 | |
Produktion von BMW, Mini, Rolls-Royce | 1.593.524 | 2.751.141 | + 72,6 % |
sowie Motorräder in Stück | |||
Beschäftigte | 95.453 | 133.778 | + 40,2 % |
Produzierende Einheit je Beschäftäftigten | 16,7 | 20,6 | + 23,4 % |
Umsatz in Mrd. EUR | 60.447 | 104.210 | + 72,3 % |
Umsatz je Beschäftigten in Tsd. EUR | 633 | 779 | + 23,0 % |
Produzierte ein BMW-Beschäftigter im Jahr 2010 16,7 Autos oder Motorräder, waren dies neun Jahre später 20,6 Autos oder Motorräder, satte 23,4 Prozent mehr. Auch der erzielte Umsatz lag 2019 um 23 Prozent höher. Wie hoch war die Lohnsteigerung in diesem Zeitraum? Ein Blick auf den Lohnzettel sollte genügen.
Ganz anders entwickelte sich das Vermögen deiner Bosse, wie das US-amerikanische
Wirtschaftsmagazin Forbes jährlich berichtet:
Vermögen in Mrd. USD | März 2010 | März 2020 | 2020 vs. 2010 |
Susanne Klatten | 11,1 | 16,8 | +51% |
Stefan Quandt | 5,7 | 12,3 | + 115,8 % |
Es gibt genügend Gründe, in dieser Tarifrunde auf keinen Cent zu verzichten. Auch die gerne zu Mäßigungsaufrufen genutzte Corona-Pandemie beeindruckt letztendlich das BMW-Management nicht, wie die vielen Herren und eine Dame mitteilen: „Die BMW Group hat im dritten Quartal 2020 ihren Absatz und Konzernüberschuss gestei-gert und liegt nach neun Monaten auf Kurs für ihre Jahresziele (…) Das dritte Quartal unterstreicht die Leistungsfähigkeit der BMW Group in einem herausfordernden Umfeld. (…) Wir gestalten die Transformation unserer Industrie aus einer Position der Stärke heraus und sind für die kommenden Jahre sehr gut aufgestellt.“ (Pressemittei-lung vom 4. November 2020)
Es liegt nun an uns, ob wir kürzer arbeiten und besser leben wollen. Der Kapitalismus jedenfalls bietet keine Perspektive für die arbeitenden Menschen. Die müssen wir uns selber erkämpfen. Wie es geht, zeigt die Geschichte der IG Metall.
Aus Geschichte der IG Metall
„Wem gehört die Arbeitszeit“
Ab Mitte der 1970er Jahre ersetzen im-mer mehr Roboter die Arbeitskraft von Menschen. Massiver Stellenabbau und Leistungsverdichtungen sind die Folge. Zwischen 1980 und 1983 verringert sich allein die Zahl der Beschäftigten in der westdeutschen Metallindustrie um zehn Prozent. 1977 beschließt der Gewerkschaftstag der IG Metall die Forderung nach der 35-Stunden-Woche. 1982 erklärt der IG Metall-Vorstand die
35-Stunden-Woche zum vorrangigen Ziel – auch als Antwort auf die zuneh-mende Massenarbeitslosigkeit. Die Idee: Die Arbeit gerechter verteilen, sichern und neue Stellen für rund 2,5 Millionen Erwerbslose schaffen sowie humanere Arbeitszeiten durchsetzen. „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“ – dafür steht die 35-Stunden-Sonne.
Am 14. Mai 1984 beginnt der Streik in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden, in Hessen eine Woche später. 57 500 Beschäftigte aus 23 Betrieben folgen
dem Streikaufruf der IG Metall. Die Arbeitgeber reagieren mit kalter und heißer Aussperrung. Eine halbe Million Ausgesperrte stehen vor den Betriebsto-ren – zehnmal so viele wie Streikende „Keine Minute unter 40 Stunden“ – so die Ansage der Arbeitgeber.
Nach sieben Wochen Streik und Aus-sperrung ist das Dogma gebrochen und der Einstieg in die 35-Stunden-Woche geschafft. Seit 1995 ist die 35-Stun-den-Woche tarifliche Normalarbeits-zeit in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie.
Das Kapital fordert ständig mehr „Differenzierungsmöglich-keiten“, das heißt, mehr unter-schiedliche Löhne, Arbeitszeiten, Sonderzahlungen, Zuschläge usw. Damit weden die Beleg-schaften gespalten, um damit ihre Kampfkraft und die der Gewerkschaften zu unterlaufen und zu schwächen.
Das Beispiel dafür ist die seit 30 Jahren vom Kapital betriebene und verteidigte Spaltung zwi-schen Ost und West. Abgesehen von vielem anderen sorgt die „Differenzierung“ der Tarifver-träge hierbei bekanntermaßen nach wie vor für unterschied-liche Löhne und Arbeitszeiten. Das war nicht nur Thema auf den Gewerkschaftstagen der vergangenen Jahre (zuletzt
2019), sondern ebenso bei den letzten Tarifrunden.
Bei der Tarifkommissionssitzung im November 2020 des IGM-Be-zirks Berlin-Brandenburg-Sach-sen hat Kollegin Birgit Dietze, die zuständige Bezirksleiterin festgestellt: „Wir hören in den Betrieben im Bezirk jeden Tag, das die Beschäftigten sich nicht
mit der Ungerechtigkeit abfin-den, dass sie 30 Jahre nach der deutschen Einheit immer noch drei Stunden pro Woche unbe-zahlt mehr arbeiten…Diese Un-gleichbehandlung verstehen die Beschäftigten in unserem Bezirk nicht mehr. Durch Aussitzen wird die Lage nicht besser…“
In den offiziellen Veröffentli-chungen (Internet) des IGM-Vor-standes heißt es zu den auf-gestellten Forderungen: „Die Tarifkommissionen wollen eine schrittweise Angleichung der Arbeitsbedingungen in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie an den Westen erreichen, insbesondere bei den Arbeitszeiten. Die Tarifkommis-sionen im Westen wollen die Tarifkommissionen im Osten dabei unterstützen.“
Hierbei liegt es jetzt in der Hand der Metallerinnen und Metaller, dem Metall- und Elektrokapital zu zeigen, dass „gemeinsam anpacken“ für uns Solidarität in unserer Klasse heißt und sich als Kampfansage gegen dessen Forderungen und die Spaltung zwischen Ost und West richtet.