Wölfe im Schafspelz
Auszüge aus einem Referat des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele, das er Ende letzten Jahres im Rahmen einer PV-Tagung gehalten hat.
Nach der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Ländern war es die NATO, die wortbrüchig ihr Einflussgebiet nach Osten, an die russische Grenze verschoben hat. Die USA haben unter Obama das Pazifische Jahrhundert ausgerufen. Sie meinen damit, ähnlich wie jetzt Deutschland mit den Indo-Pazifischen Leitlinien, vor allem die Umzingelung der VR China.
Diese friedensgefährdende Strategie wird auch an der Frage der Atomwaffen deutlich. Die Arsenale der NATO-Staaten übersteigen zahlenmäßig die Potentiale von Russland und der VR China bei weitem. Der Anteil an Atomwaffen, der direkt das Territorium der Russischen Föderation und der VR China bedroht, ist ungleich höher als die Bedrohung des Territoriums der USA. Beim Vertrag über die Begrenzung der Mittelstreckenraketen steckte dahinter, dass man die VR China in solch ein Begrenzungsabkommen zwingen will. Hier geht es nicht um Abrüstung, sondern darum, die Möglichkeiten der VR China zu begrenzen, die seegestützten Potentiale der USA in Schach zu halten – ein sehr durchsichtiges Manöver.
Wenn Kräfte den Standpunkt vertreten, China, Russland, NATO – alles dasselbe, dann verkennen diese entweder die Realität oder sie unterstützen die Orientierung der führenden Imperialisten und ihres Militärbündnisses NATO. Mit Freundinnen und Freunden, die die Realität verkennen, müssen wir geduldig und überzeugend argumentieren und diskutieren. Natürlich sind sie uns in gemeinsamen Kämpfen, in der Friedensbewegung willkommen. Auf der anderen Seite, und das ist der zweite Aspekt, müssen wir mit aller Kraft darum kämpfen zu verhindern, dass Positionen der Äquidistanz in der Friedensbewegung an Einfluss gewinnen. Es würde sie zahnlos, gegebenenfalls sogar anfällig dafür machen, Opfer der Integrationsstrategie des Imperialismus zu werden. Diese Versuche gibt es immer wieder.
Offensichtlich soll in bestimmte Strategievarianten des deutschen Imperialismus perspektivisch die Linkspartei eingebunden werden. Das ist der Hintergrund für die in immer kürzerer Zeit wiederkehrenden Angriffe auf den sogenannten „friedenspolitischen Konsens“. Es gibt unter den führenden Mitgliedern der Linkspartei eine Gruppe, die mit diesem Konsens schon lange gebrochen hat und jetzt immer wieder die Verlockung von SPD/Grüne/Linkspartei-Konstellationen benutzt, um diesen Bruch in der Linkspartei mehrheitsfähig zu machen und zu verankern. Kernstück dabei ist die Bejahung der NATO und der EU.
Lange Zeit war die Linkspartei der parlamentarische Arm der Friedensbewegung. Diese Zeit geht zu Ende oder ist bereits zu Ende. Respekt vor dem Kampf aller Genossinnen und Genossen in der Linkspartei gegen diese Entwicklung, aber sie wird nicht mehr grundsätzlich aufzuhalten sein.
Umso wichtiger ist, dass wir klar bestimmen, was wir als notwendige Inhalte in den Kampf der Friedensbewegung hineintragen wollen:
Da ist erstens unsere Einschätzung, dass es sich bei der NATO um das aggressive Kriegsbündnis des Imperialismus handelt, dass wir den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und den Abzug aller NATO-Strukturen aus der Bundesrepublik fordern. Diese Frage ist bisher kein Konsens in der Friedensbewegung, wir unterlassen aber nicht, darauf hinzuweisen, dass Forderungen wie „Auflösung der NATO“ dazu dienen, sich um die grundsätzliche Kritik an der NATO und der Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO herumzudrücken.
Da ist zweitens unsere Forderung nach Frieden mit Russland und der VR China. Wir verteidigen die Analyse der Friedensbewegung, die die Aggressionspolitik der NATO und die Stoßrichtung der NATO, vor allem gegen die Russische Föderation, als Hauptgefahr für den Frieden sieht.
Drittens sehen wir die Regime-Change-Politik der führenden Imperialismen und der NATO als Aggression gegen Staaten, die sich weigern, nach der imperialistischen Pfeife zu tanzen. Diese Regime-Change-Politik ordnet sich oft in die Einkreisungspolitik gegenüber der VR China und der Russischen Föderation ein, kann aber auch andere Hintergründe, wie im Beispiel Venezuelas auch die Ausblutung Kubas, haben. Diese Regime-Change-Politik versucht in der Regel, innere Widersprüche für das Schüren von bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriegen zu nutzen. Sie bedient sich in der Regel der Methode des Menschenrechts-Imperialismus. Meist versucht sie, mit einer gnadenlosen Blockadepolitik die Ökonomien betroffener Nationen zu sabotieren, die soziale Lage der Menschen zu zerstören, um damit Unruhen und Instabilität zu befördern. In Kauf genommen wird dabei die Zerstörung staatlicher Institutionen. Dem Imperialismus ist ein „fallen state“ lieber als einer, der nicht nach seiner Pfeife tanzt.
Viertens meinen wir, dass es notwendig ist, den Kampf gegen das Bomberprogramm für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu einem Schwerpunkt des Bundestagswahlkampfs zu machen, um eine Situation zu schaffen, die es jeder Bundesregierung, egal welcher Zusammensetzung, schwer macht, dieses Programm umzusetzen.
Wie jeder andere Bündnispartner haben wir die Pflicht, uns in einer offenen Diskussion solidarisch einzubringen und unseren Standpunkt zu verdeutlichen. Das hat mit Schulmeisterei gar nichts zu tun. Wir begrüßen es sehr, dass die Breite der Organisationen wächst, die zum Beispiel den Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten“ unterstützen und wir begrüßen es noch mehr, dass dies vor allem auch für die Gewerkschaftsbewegung gilt. Andererseits wäre es für die Friedensbewegung selbst problematisch, wenn dies mit Zugeständnissen in Richtung Äquidistanz erkauft würde. Es wird ja in Permanenz von außen und innen, von Medien und Herrschaftsapparat, Druck auf die Friedensbewegung ausgeübt.
Das war in der Friedensbewegung der 1980er Jahre nicht anders. Dort hatte der „Krefelder Appell“ eine klare Stoßrichtung gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa. Sie waren in der Lage, das Territorium der Hauptmacht des Warschauer Vertrages, also die Sowjetunion, zu erreichen. Deswegen waren die Mittelstreckenraketen der Sowjetunion eben nicht gleichrangig, sie konnten die USA nicht erreichen. Diese klare Stoßrichtung des „Krefelder Appells“ war den Herrschenden ein Dorn im Auge, mit ihnen Teilen der Sozialdemokratie und der Maoisten, allen voran die MLPD und ihre Vorgängerorganisation. Immer wieder wurde versucht, die Stoßrichtung zu verwässern.
Bündnispolitik beinhaltet eine Dialektik aus Inhalten und Breite des Bündnisses. Es gibt eine Dialektik aus Grundkonsens des Bündnisses und sich davon unterscheidenden Positionen der verschiedenen Bündnispartner. Aus unserer gesamten Geschichte können wir lernen, dass Nachtrabpolitik für niemanden gut ist, weder für das Bündnis, noch für uns selbst.