Schweigende Mehrheit?
Kritik am NATO-Kriegskurs soll ausgegrenzt werden – nach dem Muster der Corona-Pandemiemaßnahmen und vorher der Hartz-„Reformen“
Gegen die demonstrierenden Bauern predigt Vizekanzler Habeck in seiner Videobotschaft, dass den wütenden Ampelgegnern eine „schweigende Mehrheit“ in diesem Land entgegenstünde. Aber: Wofür oder wogegen schweigen die Menschen?
Ein Blick in die Meinungsumfragen zeigt: Die Mehrheit fühlt sich, als könnte man seine Meinung zu politischen Themen nur noch hinter vorgehaltener Hand äußern. Nur unter Grünen-Wählern fühlt sich der Großteil frei in der Meinungsäußerung. Wie kommt das und warum verdreht der Grüne Habeck die Tatsachen?
Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit, heißt es. Über die Wahrheit gebieten bei uns Eigentümer und Kontrolleure der Massenmedien, die die Grenzen der erlaubten Meinungen festlegen. Wer diesen Meinungskorridor verlässt, wird ausgegrenzt. Wer im Ukraine-Russland-Krieg für einen realistischen Verhandlungsfrieden plädiert, wird zum Putin-Versteher. Wer sich wie die Mehrheit der Menschen in Deutschland und auf der Welt für Gaza einen Waffenstillstand wünscht, wird zum Antisemiten. Die Regierungspropaganda vermischt Tatsachen, Ursache und Wirkung um Kritiker aus der Diskussion auszuschalten. Habeck setzt Kritik an der offen rechtsradikalen israelischen Regierung mit Judenhass gleich. Wer dem nicht folgt, wird bedroht. Abweichler sollen zu Staatsfeinden erklärt werden.
Auch die Stadt München hat versucht, Demonstrationen für die Rechte der Palästinenser zu verbieten, als würde es die Forderungen der UNO und der internationalen Staatengemeinschaft für ein freies Palästina nicht geben. Kriminalisiert wird, wer, wie der UN-Generalsekretär, darauf hinweist, dass das Leid in Israel und Palästina schon vor der Offensive am 7. Oktober begann und für die Rechte des palästinensischen Volkes eintritt. Wir mussten unser Demonstrationsrecht in Eilanträgen und Klagen vor ihren Gerichten durchsetzen.
Das ist kein Einzelfall: Zur letzten Bundestagswahl wollte der Bundeswahlleiter uns, der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), verbieten, zu kandidieren und suchte formale Fehler in unseren Unterlagen. Erst eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verhinderte das Verbot. Nun haben wir schon wieder Klage eingereicht, gegen den nächsten Angriff auf die Meinungsfreiheit: Die Bundesregierung hat im Oktober 2022 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und ohne große Beratung eine Änderung des Volksverhetzungsparagraphen durchgeboxt. Dieser § 130 StGB verbietet eigentlich Nazis und Faschisten ihre menschenverachtende Hetze in Deutschland zu verbreiten. Doch nun wird er gegen Friedenskräfte gewendet.
Kriminalisiert wird, wer den Einfluss der Organisationen von Nazi-und SS-Kollaborateuren auf die heutige Politik der ukrainischen Regierung benennt und sich mit den Beweggründen Russlands zur militärischen Intervention befasst.
Wieder verdreht die Regierungspropaganda Tatsachen, Ursache und Wirkung und bedroht Kritiker mit Rechtsfolgen, die ohne demokratische Diskussion durchgeboxt werden. Es begann in der Schröder-Fischer Ära mit der Verarmungspolitik der Hartz-Gesetze und in der Corona-Pandemie mit überfallartig verordneten Maßnahmen, die als „alternativlos“ außerhalb der Diskussion hingestellt wurden.
Das Gerede von „Staatsräson“ und „schweigender Mehrheit“ schränkt das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein. Die sich abwechselnden Regierungsparteien sind im Wesentlichen einig, der konservative Oppositionsführer spricht von „staatspolitischer Verantwortung“.
Hier steckt Gefahr für alle Demokraten und besonders die Arbeiterbewegung: Wir müssen für unsere Interessen demonstrieren können. Gegen Krieg, Waffenlieferung, Rassismus und Verarmung – ob das den Herrschenden gefällt oder nicht. Auch die Sozialdemokraten in den Gewerkschaftsführungen sind gefordert, sich mit ihrer Partei auseinanderzusetzen. Ihr mehrheitliches stillhalten schadet – auch das zeigen die Meinungsumfragen – beiden Seiten.
Wir verteidigen die bürgerliche Demokratie, auch wenn wir für eine sozialistische Demokratie eintreten, in der die Politik und auch die Wirtschaft demokratisch regiert wird. Wir verteidigen unsere Interessen mit Allen, die kein schweigendes Kanonenfutter sind. Dabei verbünden sich mehr und mehr Persönlichkeiten aus der sogenannten „bürgerliche Mitte“ mit uns, für deren abweichende Haltung kaum noch Platz ist im öffentlichen Raum.
Inzwischen wird jeder Kriegsgegner in die Ecke der Rechtsradikalen gestellt, so wie davor schon jeder Kritiker der Corona-Maßnahmen. Bei beiden Themen war die Opposition der AfD geheuchelt, wie nun auch bei den Bauerprotesten. Sie ist ein nützliches Werkzeug für die herrschende Klasse, da von ihr keine Gefahr droht. Die AfD sagt in ihrer Programmatik klar, dass sie dem großen Kapital freie Hand geben will. Gefährlich hingegen wäre eine Bewegung, die Schluss macht mit dem NATO-Kriegskurs und mit der neoliberalen EU bricht.
Raus aus NATO und EU – dafür steht nur die Kommunistische Partei, die DKP. Als Kommunisten haben wir vor über 70 Jahren gegen das Grundgesetz gestimmt. Der KPD-Vorsitzende Max Reimann hat damals bereits gewarnt, dass der Tag kommen wird, da wir Kommunisten die wenigen demokratischen Rechte dieses Grundgesetzes gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben! Dazu stehen wir noch heute.
Flugblatt der DKP-München, Januar 2023