Das war die Sicherheitskonferenz 2024: Krieg auf der großen Bühne
Wir dokumentierten im folgenden einen Artikel aus der UZ vom 23.02.2024.
Dieser Bericht basiert auf dem Referat auf der Tagung des DKP-Bezirksvorstands am 18.02.2024 in München zur Auswertung der Münchner Sicherheitskonferenz 2024 und unserer Proteste dagegen.
Ein Bericht von der Demo mit Fotos findet sich hier:
Der Deutsche Imperialismus lud zur 60. „Sicherheitskonferenz“ in München
Tausende protestierten gegen Treffen der Kriegstreiber
Diesen UN-Generalsekretär kann man nicht mehr ernst nehmen“ – das Zitat des rechten Historikers Michael Wolffsohn prangte am vergangenen Wochenende als Schlagzeile auf der Website der „Bild“-Zeitung. Denn António Guterres hatte die 60. Ausgabe der sogenannten „Münchner Sicherheitskonferenz“ (SiKo) mit einer Rede eröffnet, in welcher er die ständigen Verletzungen des Völkerrechts anprangerte und den Zustand der Welt als gefährlicher als in der Zeit des Kalten Krieges beschrieb. Die aktuelle Weltordnung sei überholt, so Guterres: „Sie funktioniert für niemanden.“ Aktuelle Kriege und lauernde Kriegsgefahren ordnete er in die Etappe des Entstehens einer „neuen Multipolarität“ ein.
In die gleiche Richtung zielten auch die vom chinesischen Außenminister Wang Yi vorgestellten Vorschläge zum Aufbau einer Gemeinschaft mit geteilter Zukunft für die Menschheit und zum Eintreten für eine gleichberechtigte und geordnete multipolare Welt. Sie waren, wie der Friedensplan Chinas zur Beendigung des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr, ein Kontrast zum offiziellen Programm der NATO-Kriegskonferenz. Aufgeschreckt reagierten die großen Leitmedien direkt im Nachgang mit zahlreichen Kommentaren, die Wang Yis Aufrichtigkeit in Zweifel zogen und den Friedenswunsch der Volksrepublik verleugneten. Schon bei der Abmoderation des chinesischen Gastes gab Konferenzleiter Christoph Heusgen die Richtung vor. Schließlich sei das Handelsvolumen zwischen China und Russland größer geworden, so der SiKo-Chef. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zuvor bereits deutlich gemacht, dass der Austausch mit China nicht unter Gleichgesinnten, sondern unter globalen Kriegsparteien stattfinde: „Was heute in der Ukraine passiert, kann morgen in Taiwan passieren.“ Auf diese Drohungen reagierte der Gast aus Peking mit der Aufforderung an die USA, die diplomatischen Kanäle mit der Volksrepublik zu intensivieren.
Weder die Anwesenheit des UN-Generalsekretärs noch die von Wang Yi konnte darüber hinwegtäuschen, dass die „Sicherheitskonferenz“ auch in diesem Jahr eine NATO-Kriegskonferenz war, wenn auch vor globalem Publikum. Russland und der Iran waren erneut ausgeladen worden. Dass Vertreter aus 50 Ländern des globalen Südens teilnehmen durften, zeigt das Bemühen, dem Imperialismus Türen offen zu halten. Die Gästeliste ist jedoch auch Ausdruck der sich verändernden Kräfteverhältnisse. Dabei stoßen die imperialistischen Mächte, die sich bei schärfster Konkurrenz in G7 und NATO um die USA gruppieren, aber auf ein Problem, das im diesjährigen „Munich Security Report“ blumig umschrieben wird. Die „transatlantischen Partner und gleichgesinnte Staaten“, heißt es darin, stünden vor einem „schwierigen Balanceakt“. Sie hätten „keine andere Wahl, als mehr in Verteidigung und militärische Abschreckung zu investieren und gleichzeitig Kooperation zum gegenseitigen Nutzen stärker auf politisch gleichgesinnte Staaten zu beschränken“. Zugleich drohe ein Teufelskreis, „in dem die Furcht vor ungleichen Gewinnen auf immer mehr Themenfelder ausgeweitet“ werde. Das dürfe aber „nicht die transatlantischen Bemühungen untergraben, Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens auf- und auszubauen“.
Zufriedener Gastgeber
Jenseits dieser Überlegungen war die diesjährige „Sicherheitskonferenz“ ein wichtiger Termin für den deutschen Imperialismus, der die Versammlung Jahr für Jahr zur propagandistischen Verbreitung seiner außenpolitischen Linien nutzt – gegenüber der eigenen Bevölkerung, aber auch gegenüber der Welt. Zunehmend setzt er dabei auch eigene Akzente gegenüber der US-Führungsmacht. Davon zeugte nicht zuletzt die just zur SiKo aufkochende Atomwaffen-Debatte.
Die Idee, die französischen Atomwaffen mit den Strukturen der EU zu verknüpfen, stieß bei Teilen der deutschen Sozialdemokratie und der FDP auf Zustimmung. FDP-Rüstungslobbyistin und Kriegstrommlerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und SPD-Zeitenwende-Kanzler Scholz sprachen sich jedoch direkt für mehr nukleare Teilhabe mit den USA aus, also für eine Strategie innerhalb der NATO-Strukturen. Der frühere Außenminister und aktuelle Vorsitzende der Transatlantikbrücke, Sigmar Gabriel (SPD), warb im „Stern“ hingegen für „eine gemeinsame nukleare Komponente“ in der EU und damit für eine „glaubwürdige Abschreckung“. Ein echter Widerspruch? Eher ein Scheingefecht. Angesichts ihrer Kriegsplanungen gegenüber der Volksrepublik China setzt die US-Regierung ohnehin auf mehr militärische Potenzen bei ihren europäischen Verbündeten. Die Debatte um Atomwaffen soll die „Kriegstüchtigkeit“ anfeuern und dient als Stichwortgeber für die weitere Verschärfung des Diskurses und des militaristisch-reaktionären Staatsumbaus. Das kann der deutsche Imperialismus durchaus als Erfolg seiner SiKo verbuchen.
Mit der Ausrichtung der Münchner Konferenz konnte er sich zudem als globaler Ordnungsfaktor inszenieren, der seinen Platz auf der diplomatischen Bühne des „Westens“ weiter festigt und zugleich als Bindeglied zwischen der alten Ordnung und den verschiedenen Polen der Welt wahrgenommen werden will. Inhaltlich kam dabei wenig neues herum. Die anwesenden G7-Regierungen bekräftigten in München noch einmal, dass sie bereit sind, den Krieg in der Ukraine noch auf Jahre weiterzuführen. Im Sinne der von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vorgegebenen Stoßrichtung, Russland zu ruinieren, wurde die russische Opposition um den kürzlich gestorbenen NATO-freundlichen Rechtsextremisten Alexei Nawalny hofiert, während jeglicher Dialog mit der russischen Regierung verweigert wurde. Auf diese Weise konnte die Konferenz an die Legitimationserzählung des früheren US-Präsidenten George W. Bush anschließen, nach der sich der Kampf gegen eine „Achse des Bösen“ richte. In der internationalen Ordnung gebe es halt Schmuddelkinder, mit denen zu reden sich nicht lohne. Der deutsche Imperialismus dürfte zufrieden sein, dass er diesem Märchen und dem diplomatisch und wirtschaftlich zunehmend isolierten G7-Block eine globale Bühne bieten konnte.
NATO unerwünscht!
Doch die Zufriedenheit hörte vor den Türen des Hotels „Bayerischer Hof“ auf, in dem die Konferenz stattfand. Die größte Demonstration des Samstags begann mit dem Titel „Kriegstreiber unerwünscht!“ am Stachus. Rund 5.000 Personen zählten die Organisatoren des Anti-Siko-Bündnisses in der Hochphase der Veranstaltung. Begleitet wurde die Veranstaltung zusätzlich von circa 300 Personen, die eine Protestkette durch die Fußgängerzone gebildet hatten.
Eröffnet wurden die Proteste mit einer Rede des Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, dem neben dem Münchner Friedensbündnis und der DKP auch ATTAC, DFG-VK, GEW, ver.di, Gewerkschaftslinke, Linkspartei und viele andere angehören. Matthias prangerte die 60-jährige Geschichte der als „Wehrkundetagung“ begonnen Konferenz an und gab Kontext zur diesjährigen Durchführung: „Pünktlich zur Münchner Sicherheitskonferenz umstellt die Bundeswehr im Großmanöver ‚Quadriga 24‘ das russische Kaliningrad. Daraus entstehen neue Spannungen. Und die berechtigen zur weiteren Sozialkürzung und zur Aufrüstung. Deutschland hat den Schwur von Buchenwald ‚Nie wieder Krieg‘ längst gebrochen.“ Mark ging anhand des imperialistischen Konzepts „Neue Macht. Neue Verantwortung“ auf die Rolle der Konferenz als Werkzeug der deutschen Außenpolitik ein und wies auf die diesjährige Fragestellung hin: „Wie können die Handelsbeziehungen in die ganze Welt noch zum eigenen Vorteil genutzt werden? Die SiKo hat sich für dieses Jahr vorgenommen, für die deutsche Außenpolitik einen Platz zu finden, der sowohl im Windschatten der US-dominierten NATO-Konfrontationspolitik liegt als auch in der Nähe aufstrebender Schwellenländer.“
Zusammen mit der Palästinenserin Rihm Hamdan sprach Shelly Steinberg, die in Israel geboren und in Deutschland aufgewachsen ist. Sie führte aus: „Und nur zum Verständnis: Es ist naiv und illusorisch zu glauben, dass Israels Krieg in Gaza mit dem 7. Oktober, der Zerschlagung der Hamas, der Befreiung der Geiseln oder mit Selbstverteidigung zu tun hat. Mittlerweile machen viele hochrangige israelische Politiker gar keinen Hehl mehr daraus, dass das wirkliche Ziel in der Vertreibung der Palästinenser aus und der Ansiedlung von Juden im Gazastreifen besteht.“ Ronja Fröhlich von der SDAJ sprach für die Jugend.
Während der Demonstration wurden im Sozialismus-Block von DKP und SDAJ, der die Demonstration nach der bunten Spitze anführte, Grußworte von Vertretern der KPen aus Tschechien (KSCM), Italien (PC), Griechenlands (KKE) und der Türkei (TKP) gehalten. Auf der Abschlusskundgebung sprach nach einem Musikprogramm von StreetOps und „Heiter bis wolkig“ die irische Abgeordnete Clare Daly über den Krieg in Gaza. Der Sprecher des „Darmstädter Signals“, Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr a. D., bezeichnete das Treffen im Bayerischen Hof als „Stelldichein der NATO-Warlords“. Zum Abschluss sprach sich der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis gegen die Aggressionspolitik der NATO aus.
Zeitgleich kamen an einem anderen Ort in München weitere 1.500 Demonstrierende zusammen. Sie waren dem Aufruf von „München steht auf“ gefolgt, einer Gruppierung, die aus dem Spektrum der Corona-Maßnahmenkritiker hervorgegangen ist. Unter dem Motto „Macht Frieden!“ wurde für eine neue europäische Friedensordnung mit Russland geworben. Omnipräsent waren blaue Fahnen mit weißer Taube und Trommeln im Marschrhythmus. Rechte Kräfte, die in der Vergangenheit noch zum Teil offen aufgetreten waren, waren nicht zu sehen.
Applaus für die Kriegstreiber gab es am Samstag lediglich am Münchner Odeonsplatz, wo sich Anhänger der ukrainischen Regierung unter blau-gelben und teils schwarz-roten Bandera-Fahnen versammelten. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter (Grüne), Roderich Kiesewetter (CDU) und der neue grüne Vize-Oberbürgermeister Dominik Krause heizten gut 1.500 bis 2.000 Demonstrierenden ein. Gefordert wurde die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und weiterer Waffen für den ukrainischen Stellvertreter. Strack-Zimmermann forderte auf der SiKo am Sonntag zudem, man müsse „jetzt alles schicken, was wir haben“.
Der Artikel wurde von www.unsere-zeit.de übernommen