Zum Tarifabschluss: Reallohnabbau und weitere Flexibilisierung

Der IGM-Vorstand stellt den Kampf ein – die Kolleginnen und Kollegen zahlen die Zeche

Eine Million Kolleginnen und Kollegen legten sich bundesweit in vielfältigen Aktionen ins Zeug, um eine bescheidene Forderung nach 4 Prozent höheren Tariflöhnen sowie Vereinbarungen für eine „Zukunftssicherung“ zu erkämpfen.

Nach Angaben des Kapitalistenverbandes betrugen die Löhne (inklusive der Wasserköpfe) 210,4 Milliarden Euro. Eine Erhöhung von 4 Prozent wären dann 8,4 Milliarden Euro gewesen. Zuviel? Nun, die Gewinne lagen 2019 bei 33,2 Milliarden Euro (aus Gesamtmetall.de/aktuelle Daten).

Nach vier Wochen Warmlaufen und sichtbar großer Kampfbereitschaft schloss der IGM-Bezirk in Nordrhein-Westfalen noch vor Ostern mit den Kapitalisten einen Tarifvertrag ab, den mittlerweile auch die bayerische IG Metall zu großen Teilen übernommen hat. Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, dazu: „Mit diesem Abschluss stabilisieren wir die Einkommen, sichern Beschäftigung und schaffen Zukunftsperspektiven. Mit der Regelung zu Zukunftstarifverträgen ist uns der Einstieg in eine gemeinsame Gestaltung des industriellen Wandels gelungen.“ Wirklich? Lassen wir die bayrischen Kapitalisten sprechen:

Zum ersten: „Daher sind wir froh, dass der Abschluss dieser außergewöhnlichen Situation Rechnung trägt und keine tabellenwirksamen Belastungen während der gesamten Laufzeit von 21 Monaten enthält.“ (Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro, bayme vbm, 23. April 2021)

Für uns heißt das: 4 ½ Jahre keine tabellenwirksame Lohnerhöhung bis zum Ende der Laufzeit im Oktober 2022 gerechnet. Mit der Corona-Prämie in Höhe von 500 € macht sich die IGM-Führung mit den Kapitalisten eine bereits seit 1. März 2020 geltende und bis zum 30. Juni 2021 verlängerte Änderung des Einkommensteuergesetzes zunutze. Bis dahin können die Kapitalisten ihren Belegschaften zusätzlich zum Lohn eine steuer- und sozialabgabenfreie Prämie bis zur Höhe von 1.500 Euro zahlen. Mit 500 Euro hat sich die IGM-Führung auf ein Drittel davon geeinigt. Die Konsequenz für uns: die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge fehlen für die Renten- und Durchschnittsberechnungen bei Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- und Krankengeld.

Zum zweiten: „Als besonderen Erfolg und zukunftsgerichtete tarifpolitische Weichenstellung sehen wir die automatische Differenzierung des T-ZUG (B) für krisenbetroffene Unternehmen im Kalenderjahr 2021. Die Vereinbarung ermöglicht es Unternehmen, bei Vorliegen einer schwierigen wirtschaftlichen Situation die Tarifkosten einseitig zu reduzieren.“ (bayme vbm, 23. April 2021)

Hier geht es erstmal „nur“ um das T-ZUG (B), das Brutto knapp 380 € ausmacht. Diese Zahlung kann 2021 verschoben oder vom Kapitalisten ganz gestrichen werden, wenn seine Nettoumsatzrendite unter 2,3 Prozent liegt. Statt einen tarifvertraglichen Anspruch zu erwirken, wird ein Teil unseres Lohns also mit dem Renditeziel der Kapitalisten verknüpft. Diese automatische Differenzierung ist ein ganz gefährlicher Einstieg darin, dass sogenannte „unternehmerische Risiko“ und die Konkurrenz der Kapitalisten untereinander auf unserem Rücken auszutragen. Wir müssen alles dafür tun, dass das keine „tarifpolitische Weichenstellung“ wird, sondern beim nächsten Tarifabschluss ganz schnell wieder in der Versenkung verschwindet.

Zum dritten: „Für das Tarifgebiet Bayern haben wir einen eigenen tariflichen Rahmen für die Zukunftstarifverträge abgeschlossen. Die Regelungen sind freiwillig und starten immer auf Ebene des Betriebs ohne Eingriff der Gewerkschaften in die unternehmerische Leitung.“ (bayme vbm, 23. April 2021)

Für uns heißt dies, anstatt die gewerkschaftliche Kampfkraft für das große gesellschaftliche Thema Transformation in die Waagschale zu werfen und verbindliche Regelungen zu treffen, werden die Auseinandersetzungen auf die betriebliche Ebene verlagert, auf die Betriebsräte. Das gleiche Problem gilt für das neue T-Geld – auch hier entscheiden die Betriebsparteien (Geschäftsleitung und Betriebsrat), ob die jährliche Sonderzahlung von 18,4 Prozent (2022) bzw. 27,6 Prozent (2023) ausgezahlt wird oder als Ausgleich zur von uns selbst (!) finanzierten Arbeitszeitverkürzung herangezogen wird.

Die Betriebsräte sind qua Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsfrieden verpflichtet und dürfen nicht zu Kampfmaßnahmen aufrufen – dies ist den Gewerkschaften vorbehalten. Gewerkschaftlich schwach organisierte Belegschaften sind somit dem Kapital gnadenlos ausgeliefert – und haben sie einen konfliktscheuen Betriebsrat, wird Entgelt zum „Erhalt von Arbeitsplätzen“ hergegeben. Die Erfahrungen lehren aber, dass mit Verzicht und Co-Management keine Arbeitsplätze erhalten werden. Da hilft nur konsequenter Kampf. Mit der weiteren Verlagerung von Tarifthemen auf die Betriebsebene schafft sich die Gewerkschaft Schritt für Schritt selbst ab.

Wenn Kapitalisten jubeln, sollte das zu denken geben. Dir, der Abseits steht und nicht Mitglied der IG Metall ist. Dir, der unzufrieden ist mit der gewerkschaftlichen Politik der letzten Jahre.

Die DGB-Gewerkschaften sind die einzige Organisation der Arbeiterbewegung in diesem Land. Und auch wenn wir mit vielen Entscheidungen nicht einverstanden sind, geht es darum sie wieder stärker und kämpferischer zu machen. Denn Gewerkschaften sind dazu da, um für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Lasst uns dafür streiten, ganz nach dem Motto: “Allein machen sie dich ein – gemeinsam sind wir stark!”