ver.di-Kongress: Beim „Antrag E084″ stinkt es nach Krieg!

Scholz' Rede war von Protesten von etwa 100 Delegierten begleitet. Er bezeichnete die Forderung nach Einstellung der Waffenlieferung als "zynisch". Aber das ist ja Mainstream. Text des Transparents: "Verhandeln statt Schießen! Für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen!" Foto: Johannes Hör

Debatte abgebrochen / Leitantrag folgt dem Kriegskurs der Regierung / Große Minderheit dagegen

Der 6. ver.di-Bundeskongress ist vorbei. In langen und ernsthaften Diskussio­nen haben sich viele Kolleginnen und Kol­legen für einen Stopp des Krieges und der Waffenlieferungen eingebracht wie auch gegen einen Haushalt der Aufrüstung, der mit drastischen Kürzungen der sozialen Leistungen von uns bezahlt werden soll. Schon vor und während dem Kongress haben viele von ihnen in Aufrufen und Demonstrationen Stellung bezogen zum Thema Krieg.

Der vom Bundesvorstand vorgelegte Antrag E084 „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch” war besonders umstritten. Den Delegierten lagen acht Änderungsanträge dazu vor. Darin ging es um drei Entschei­ dungen der Bundesregierung, die abzuleh­ nen waren: Sanktionspolitk; Waffenlieferung; Hochrüstung in Form des Nato-2 Prozent-Zieles sowie des sogenannten 100-Milliarden-Sondervermögens.

Bei der Aussprache zu diesem Gesamtan­trag E084 wurde von vielen Delegierten gefordert, den Antrag abzulehnen. Nach­dem ein Einzelantrag auf Streichung der Formulierung „Sanktionen sind grundsätz­lich richtig” von der Mehrheit (644/198) abgelehnt wurde, griff die Regie ein: der Bundesvorstand konnte durchsetzen, dass die Debatte beendet wird (Mehrheit ähnlich). Darauf wurde weiter durchge­setzt, alle Änderungsanträge zum Leitan­trag im Block abzustimmen (Mehrheit ähnlich). Damit kamen die Unterstützer der Änderungsanträge nicht mehr zu Wort. Großer Unmut.

An der Schlussabstimmung beteiligten sich nur 849 von den über 1.000 Delegierten. (Machte der Rest Brotzeit?) 675 waren für Annahme des Leitantrags, 22 enthielten sich, immerhin 170 beharrten auf den antimilitaristischen Positionen. (Zahlen aus dem Tagungsprotokoll.)

Mit dem so beschlossenen Leitantrag bricht ver.di mit bisherigen gewerkschaft­lichen Friedenspositionen, spricht sich für Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland aus. Dass nicht einmal die Formulierung aufgenommen wurde, ,,ver.di fordert von der Bundesre­gierung, alles zu tun für einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen”, ist nicht mehr verständ­lich!

Mit diesem Beschluss wurde faktisch Satzungsbruch beschlossen, denn die Satzung verpflichtet die Organisation darauf, militaristische Tendenzen zu bekämpfen. (§ 5, Ziff. 3 der ver.di-Satzung) Gut ist, dass die delegierten Kolleginnen und Kollegen zahlreiche Änderungsanträ­ge eingebracht hatten. Der Versuch war es wert, dem Leitantrag seinen kriegerischen Kurs zu nehmen. Gut ist, dass es dem Bundesvorstand nicht gelungen ist, den Kongress auf die Kriegspolitik der Regie­rung zu vereinigen.

Aber das mächtigste ver.di-Gremium hat die Weichen gestellt für die Gewerkschafts­politik der kommenden vier Jahre. Eine Neuausrichtung der Gewerkschaft ist auf dem Weg, mit einem Bruch mit Friedens­positionen, mit einem Bruch der antimili­taristischen Satzung.

Sprecht mit euren Delegierten darüber!

Unsere Gewerkschaften dürfen nicht Hilfstruppe der Kriegspolitik von Regie­rung und Kapital werden! Keine Ausrich­tung der Arbeiterklasse auf den Stellvertre­terkrieg der Nato-Mächte!

Weit über 10.000 sagen NEIN!

Im Vorfeld des ver.di-Kongresses hatte sich wegen des Leitantrages mit den sehr problematischen Passagen zur Frage von Krieg und Aufrüstung die Initiative „Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg,
Militarismus und Burgfrieden” gebildet.
Sie formulierte die Petition “SAGT NEIN! zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress”, die in kurzer Zeit über 10.000 Unterstützer:innen im Netz fand.
Text der Petition https://www.imi-online.de/2023/08/10/sagt-nein/

krn | Artikel aus AufDraht Oktober 2023